Windkraftanlagen-Forschung an der TU Berlin mit 3D-gedruckten Rotorblättern

Die Rotorblätter von Windkraftanlagen sind im Durchschnitt 80 Meter lang. Bei der Gestaltung dieser riesigen Windflügel bietet keine andere Technologie die Flexibilität, Präzision und Anpassungsfähigkeit für maßstabsgetreue Teile wie der 3D-Druck. Zwar ist der Nachbau in einem Hochschullabor nahezu unmöglich, aber ein maßstabsgetreuer Prototyp mit Schaufeln von einem Meter Länge ist für einen großformatigen 3D-Drucker durchaus machbar. Hier fangen die Forschenden ganz klein an.

Auf Grundlage von 3D-gedruckten Rotorblättern bietet die TU Berlin einen Kurs - Messverfahren für Windturbinen - an, in dem Kenntnisse zur Messung der Leistung der Windräder an verschiedenen Betriebspunkten vermittelt werden. Die Studierenden lernen, die Windgeschwindigkeit zu messen und gleichzeitig die von der Anlage erzeugte Leistung zu ermitteln. Die Lehrveranstaltung konzentriert sich auf den Vergleich zwischen einem traditionell gefertigten, handgeschnitzten Holzflügel von zwei Metern Länge und einem 3D-gedruckten Rotorblatt von einem Meter Länge mit Gyroid-Füllung.

Das additiv gefertigte Rotorblatt ist das Ergebnis der Forschungsarbeit von Jörg Alber, Doktorand und Laurin Assfalg, Masterstudent an der TU Berlin. Während der Studie fanden sie heraus, dass mit dem 3D-Druck, dem Experimentieren mit verschiedenen Füllungen, Formen und Materialien, keine Grenzen gesetzt sind.

Laurin Assfalg:

„Der 3D-Druck stellt eine beeindruckende Option zur Fertigung der Rotorblätter dar, weil er die Herstellung komplexer Formen und damit eine Leistungssteigerung ermöglicht. Wir wollen damit neue wissenschaftliche Ideen entwicklen, die sich auf die großen Rotorblätter übertragen lassen.“

3D-Druck erweckt Rotorblätter zum Leben

Das Forschungsziel bestand darin, alternative Wege zur Herstellung von Rotorblättern für Windkraftanlagen zu finden. Durch die Herstellung und Optimierung von Rotorblättern in kleinerem Maßstab mittels 3D-Druck wollten Jörg Alber und Laurin Assfalg Erkenntnisse gewinnen, die künftig für die additive Fertigung von Rotorblättern in Originalgröße angewendet werden können.

Die herkömmliche Art der Herstellung von Rotorblättern für Windkraftanlagen erfolgt durch subtraktive Verfahren wie von Hand geschnitztes Holz, computergesteuertes Fräsen oder andere Formverfahren. Diese Methoden haben sich zwar bewährt und sind in der Branche der Windkraftanlagen als Goldstandard etabliert, waren aber für die Forschung nicht die ideale Wahl, da sich mit diesen Rotoren keine speziell entwickelten, komplexen Strukturen herstellen lassen, die für die Tests benötigt werden. Die Entscheidung zugunsten von 3D-gedruckten Rotorblättern fiel aufgrund der Fähigkeit dieser Technologie, kompliziertere Formen und Füllstrukturen (das Innere eines 3D-gedruckten Teils) im Vergleich zu herkömmlichen subtraktiven Methoden zu erstellen.

3D printed Wind Turbine blades for TU Berlin

Der 3D-Druck ermöglichte einen effizienten Druck der Rotorblätter und bot die Möglichkeit, eine Vielzahl von Formen und Konstruktionsarten umzusetzen, die später einer strengen Prüfung unterzogen werden sollten. Die Größe der zu druckenden Rotorblätter betrug einen Meter, womit der großformatige industrielle BigRep ONE die perfekte Wahl war. Der BigRep ONE verfügt über ein Bauvolumen von einem Kubikmeter und ist für die Herstellung große 3D-Drucke für die anspruchsvollsten und geometrisch komplexesten Anwendungen ausgelegt. Der im Maker-Space der TH Wildau vorhandene BigRep One stellte die Rotorblätter in einem einzigen nahtlosen Druckvorgang her, wobei die kompletten Flügel liegend und ohne jegliche Stützstruktur in weniger als einer Woche gedruckt wurden.

Für den Entwurf wurden die Rotorblätter mit frei verfügbarer intelligenter Software und mit Hilfe von BigReps BLADE entwickelt. Die wichtigen Druckeinstellungen wie die Ausrichtung des Modells, Schichthöhe sowie Art und Dichte der Füllstruktur (Gyroid) waren in BLADE leicht anpassbar. Der komplett offene Ansatz, auf dem der 3D-Druck basiert, war ein weiterer Grund, der die additive Fertigung zu einer überzeugenden Wahl für die Studie machte.

Strukturelle Überlegungen: Auskleidung und Material

Der strukturelle Entwurf der Rotorblätter der Windkraftanlage umfasste sowohl auf die Untersuchung verschiedener Füllstrukturen als auch auf das Material für den 3D-Druck.

1. Gyroid-Füllung

Auf Bauteile wie die Rotorblätter von Windkraftanlagen wirken aufgrund der Aerodynamik und der Trägheitskräfte während der Rotation häufig ständig wechselnde Belastungen ein. Für diese Teile waren die isotropen Eigenschaften von Gyroid-Füllungen eine naheliegende Wahl, da sie diesen Lastwechseln standhalten.

Gyroid Infill

Die Gyroid-Füllung besteht aus einem komplexen Netzwerk verdrehter und miteinander verbundener Röhren, die ein sich wiederholendes Muster bilden, das sich ohne Überschneidung oder Überlappung unbegrenzt in alle Richtungen erstreckt. Das Ergebnis ist eine durchgängige Gitterstruktur, die bei sehr geringer Dichte zu einer außergewöhnlichen Stabilität führt, wie sie für leichte Rotorblätter erforderlich ist. Während der manuelle Entwurf dieses komplexen Musters Ewigkeiten dauern könnte, vereinfachte die 3D-Drucksoftware den Prozess automatisch und setzte ihn in den Rotorblättern um.

Rotorblatt einer Windkraftanlage mit Gyroid-Infill
Doktoranden der TU Berlin erforschen das Rotorblattdesign für Windkraftanlagen anhand von 3D-gedruckten Prototypen, die auf einem BigRep ONE hergestellt wurden. Da das Verhältnis von Festigkeit zu Gewicht entscheidend war, bot der Gyroid-Infill eine hervorragende Lösung für starke, leichte Teile.

Abgesehen von seiner Stärke bietet die Gyroid-Füllung auch eine hohe Materialeffizienz. Aufgrund der miteinander verbundenen Kanäle wird bei gleichbleibend hoher struktureller Integrität weniger Material benötigt. Dieser Gesichtspunkt war ein großer Vorteil beim Druck der Rotorblätter, die andernfalls schwer geworden wären und eine erhebliche Menge an Material verbraucht hätten.

2. Das industrietaugliche PRO HT von BigRep

Das Forschungsteam druckte die Rotorblätter mit PRO HT, da es alle Anforderungen an das Material erfüllte: einfach zu drucken, hohe Festigkeit, sowie die Fähigkeit, hohen Temperaturen standzuhalten. Das benutzerfreundliche Filament verformt sich kaum und liefert ästhetische Drucke mit einer glatten, matten Oberfläche.

WindTurbine_4

Das Team berücksichtigte auch den ökologischen Fußabdruck der Rotorblätter. Da es sich bei PRO HT um ein Biopolymer handelt, hat es im Vergleich zu Filamenten aus fossilen Brennstoffen geringere Umweltauswirkungen.

Die Rotorblätter auf dem Prüfstand

Bei den Tests der 3D-gedruckten Rotorblätter wurden die Struktur und der Windkanal untersucht, um zu prüfen, wie sie sich bei verschiedenen Parametern verhalten.

1. Strukturtests

Researchers are checking their data

Die Prototypen der Rotorblätter wurden gemäß der ULC (Ultimate Load Cases, dt. Grenzlastbedingungen) mit der Universalprüfmaschine an der HTW Berlin geprüft.

Die Grenzlastbedingungen (ULC) umfassen eine Reihe von Beanspruchungen, die während der Prüfung aufgebracht werden, während die Universalprüfmaschine das Gerät ist, mit der diese Bedingungen simuliert oder erzeugt werden. Die Maschine untersucht, wie sich Materialien unter kontrollierten Kräften oder Dehnungen verhalten.

Was sind Grenzlastbedingungen (ULC)??

Die Bedingungen, unter denen ein Material oder eine Struktur einem Maximum bzw. den höchsten anzunehmenden Lasten, Spannungen, oder Kräften unterliegt, denen sie in realen Umgebungen ausgesetzt sein kann. Durch die Prüfung von Materialien mit diesen ULC lassen sich Daten darüber sammeln, wie sich diese Materialien unter verschiedenen Beanspruchungen verhalten, was bei der Konstruktion und Überprüfung der Rotorblätter im Hinblick auf Sicherheit und Zuverlässigkeit von Bedeutung ist.

Was ist eine Universalprüfmaschine?

Eine Universalprüfmaschine (UTM) ist ein Gerät zur Prüfung der mechanischen Eigenschaften von Material oder Bauteilen, zum Beispiel Zugfestigkeit, Kompression, Biegeverhalten und Härte. Sie wendet kontrollierte Kräfte auf das Objekt an, um zu messen, wie es unter verschiedenen Bedingungen reagiert, und liefert dadurch wertvolle Daten für die Materialanalyse und Qualitätssicherung.

Bei den Belastungstests wurden mögliche Schäden an der 3D-gedruckten Außenhülle wie Verformung und Risse untersucht, wenn diese bestimmten Kräften ausgesetzt war. Die ultimativen Biegemomente an der Rotorblattwurzel (maximale Biegekräfte im Wurzelbereich des Rotorblatts) wurden mit Punktbelastungen (konzentrierte Kräfte in bestimmten Bereichen) an drei Blattpositionen und in beiden Beanspruchungsrichtungen getestet. Die Blätter wurden außerdem unter einer starken Zentrifugalkraft von Fmax = 3000 N mit einem Schwerlastkran untersucht.

Ungeachtet der anspruchsvollen und intensiven Strukturtests blieb das Rotorblatt unbeschädigt und kehrte in seine ursprüngliche Form zurück, ohne dass es Anzeichen von Rissbildung oder Verformung gab.

2. Tests im Windkanal

Wind Tunnel for the 3d printed rotor blade tests

Die Tests im Windkanal waren für das Forschungsteam von entscheidender Bedeutung, um Erkenntnisse über die aerodynamische Effizienz und die strukturelle Stabilität des Rotorblatts zu gewinnen und zu prüfen, ob die Windkraftanlage Energie gewinnen kann. Dabei wurden die Windturbinenblätter unter kontrollierten aerodynamischen Bedingungen in einem großen Windkanal mit geschlossenem Kreislauf am HFI der TU Berlin simuliert und analysiert.

Large Wind Tunnel

Die Windkraftanlage war so konzipiert, dass sie bei einer bestimmten Geschwindigkeit am besten funktionierte, aber als sie sie testeten stellten die Forschenden fest, dass sie bei einer höheren Drehgeschwindigkeit als der ursprünglich geplanten besser funktionierte. Ihr maximaler Wirkungsgrad lag beim 5,4-fachen statt dem 4-fachen Verhältnis der Blattspitzengeschwindigkeit, für das sie ausgelegt war. Der Grund hierfür war, dass die Turbine auf der Grundlage der natürlichen Windströmung konstruiert wurde und nicht unter den Bedingungen des geschlossenen Windkanals, in dem sie getestet wurde.

Die Zukunft der Windkraft

Das Ergebnis der Forschung von Laurin Assfalg und Jörg Alber, die Windturbine mit einem Meter großen, 3D-gedruckten Rotorblättern, befindet sich derzeit an der TU Berlin. Sie bildet den Grundpfeiler des Studiengangs "Messverfahren für Windturbinen" und ist ein konstantes Versuchsobjekt für die Experimente, mit denen die Zukunft der Windenergienutzung bestimmt wird.

Neben der besseren Leistungsbilanz der 3D-gedruckten Rotorblätter enthüllte die Studie weitere vielversprechende Vorteile für die Umwelt, die den Einsatz von mit 3D-Druck hergestellten Rotorblättern in der Praxis prägen könnten. Da die im Rahmen der Doktorarbeit hergestellten 3D-gedruckten Rotorblätter in der Nachbearbeitung nicht beschichtet werden mussten, können sie problemlos recycelt und zu Komponenten für Windkraftanlagen weiterverarbeitet werden. Das Forschungsprojekt bereitet den Boden für weitere Studien zur Verbesserung des Wirkungsgrads von Windkraftanlagen, mit deren Hilfe saubere, grüne und erneuerbare Windenergie gewonnen werden kann.

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THE 3D-PRINTED GYROID: IMPROVING STRUCTURALLY DEMANDING APPLICATIONS

Über die Autorin:

Natasha Mathew <a style="color: #0077b5" href="https://www.linkedin.com/in/natasha-mathew/" target="_blank" rel="noopener"><i class="fab fa-linkedin"></i></a>

Natasha Mathew

Texterin

Natasha Mathew probiert gern Neues aus – und derzeit ist sie besessen vom 3D-Druck. Ihre Leidenschaft, komplexe Konzepte in einfacher Sprache zu erklären, und ihr Hang zum Geschichtenerzählen hat sie dazu bewegt, Autorin zu werden. Im Zuge ihrer 7-jährigen Autorenkarriere hat sie über unterschiedlichste Themen geschrieben. Wenn sie gerade mal nicht mit dem Schreiben beschäftigt ist, widmet sich ihren Hobbies: Lesen, Basteln, Spinning und Reisen. Und über sich selbst schreibt sie in der dritten Person.

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